Montag, 24. April 2017

Younger than Yesterday-das Schaltjahr des Pop

Was wäre die bundesdeutsche Medienwelt ohne ihre zeitgeschichtlichen Jubiläen?70Jahre Kriegsende,50 Jahre erste Herz-OP,40Jahre Elvis tot,40Jahre Deutscher Herbst....sogar der 40.Jahrestag des Manson-Massaker wurde nicht nur in der FAZ breit erinnert....
Da ist ein Pop-Jubiläum schon um einiges erfreulicher und so erscheinen direkt mehrere Bände zu 50Jahre 1967.
Auch der Wagenbach-Verlag legt nun einen immerhin 255 Seiten starken band vor. Diese Seiten bieten einiges. Schon der kaleidoskopartige Einband bildet mit der Schrift die damals aufkommende Ästhetik gelungen nach.
Die Herausgeber Kaiser,Jürgensen und Weixler,allesamt Literaturdozenten verweisen im Vorwort auf Sergeant Pepper,das Gesamtkunstwerk der Beatles,eine Neuerfindung der Ware POP.
Seit ca.1965 war Pop nicht mehr nur naiv. Und 1967 erschienen erstmals mehr Alben als Singles: Pink Floyd,Velvet Underground,Bowie, Hendrix,Doors,Grateful Dead,Aretha Franklin,Jefferson Airplane,Byrds.
das legendäre Monterey Festival liefert heute noch sehenswerte Live-Aufnahmen von Hendrix oder Joplin.
Die Intention der Herausgeber, durch fröhliche Wissenschaft beim Leser Lust auf mehr, zum Beispiel die besprochenen Titel zu hören,geht auf.
Einen aktuellen Bezug setzen sie im Geist der Freiheit,den viele 67er-Alben symbolisieren. Denn ganz aktuell steht eben dieser Geist zur Disposition.
In den einzelnen Kapitel gelingt dies den jeweiligen Verfassern unterschiedlich.
Frank Witzel erinnert anlässlich einer Coververanstaltung in Frankfurts Alter Oper an die Beatles als Innovatoren der Popkultur.Seit 1965 behandelte Unterhaltung auch Ernsthaftes,bis dato der Hochkultur vorbehalten.Ausgerechnet durch die Veröffentlichung von Sergeant Pepper fühlt sich der 12jährige Witzel von seinen Idolen verraten,spürt er doch die fortschreitende Normalisierung,Anpassung der großen Brüder.
Die wollten nicht mehr provozieren,verabschiedeten sich langsam vom Druck der Überproduktion,wurden erwachsen.
Was wären die Velvet Underground ohne Andy Warhol? So versteht sich das Erscheinen von Velvet Underground & Nico am 12.3.67 als weiteres Factory-Happening.Frank Kelleter beschreibt auch den kommerziellen Misserfolg der Platte.Aus heutiger Sicht waren die V.U. ihrer Zeit weit voraus.Ihre Texte eine einzigartige Kopplung von Sucht und Neurose....die Zuspitzung des visionären Schaffens...Kelleter verweist aber auch auf die Gemeinsamkeiten von Sängerin Nico mit Romy Schneider,aber auch mit Ulrike Meinhof,Gudrun Ensslin. Zeithistorisch sehr reizvoll,diese Gemeinsamkeiten genauer zu betrachten....
Bowies Debüt wurde ebenso am 1.6. 67 veröffentlicht wie Sergeant Pepper. Ingo Irsigler verweist auf die gegensätzliche Ausgangslage der beiden Scheiben. Bowie wirkt seltsam aus der zeit gefallen,er bewegt sich in verloren geglaubten Kindheitswelten,in die man vermeintlich durch Drogen zurückkehren kann.
Bowies Debut blieb ungerechtfertigter Weise seltsam unbeachtet und bis heute unterbewertet.
Niels Penke zeichnet eindrücklich den Auf-und Abstieg der legendären Doors nach,geht nicht nur auf Morrisson ein,beschreibt auch den ideologischen Background: William Blakes Marriage of Heaven and Hell,1793, soll sich nun Ende der 60er endlich erfüllen,wenn es nach den Doors ginge. 
Auch hier ist leider anzumerken,das der Erfahrungshunger meist nur durch Drogen gestillt werden kann.
Weitere Kapitel befassen sich mit den Grateful Dead, Aretha Franklin,jefferson Airplane, Dylan,Byrds und den Beach Boys.
Im letzten Kapitel versucht Moritz Bassler an Beispielen aus den damals populären Zeitschriften BRAVO und twen zu belegen,das die deutsche Jugend zumindest 1967 von der großen Popwelle noch eher unberührt blieb.Denkt man nur an die Bravo Beatles Blitztournee im Sommer 66, ist das leicht zu widerlegen.
Ein detailreiches,mit diversen Hintergrundkenntnissen ausgestattetes Buch,das wirklich Lust macht,sich die besprochenen Songs endlich wieder anzuhören.

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